Eine Ära endet: So sagt man über Abschiede wie diesen. Und auch wenn es etwas pathetisch klingt, trifft es auf Willy Schmidt und die Konrad-Witz-Schule zu. In 24 Jahren hat er als Schulleiter viel bewegt. Jetzt geht er in den Ruhestand – wobei von Ruhe wirklich keine Rede sein kann.
“Willy Schmidt kommt!” Eine Kinderschar rennt auf den Schulleiter zu. Sie winken ihm zu, lächeln ihn an, strahlen über das ganze Gesicht. Diese Momente, diese Möglichkeit, “ins Leben schauen zu dürfen”, wird er stark vermissen, gibt Willy Schmidt zu. Auch den Dialog, den Kontakt zu so vielen unterschiedlichen Menschen, die Auseinandersetzung – “die manchmal eine Herausforderung war, aber mich lebendig gehalten hat”, sagt Schmidt.
Und nicht zuletzt das Gefühl von Wirksamkeit, das Gefühl, etwas verändern, bewegen und vorantreiben zu können. Schmidt war und bleibt ein Macher. Einer, der es gut versteht, auch die anderen zu begeistern und zu überzeugen. “Das Schulleben war mein Leben. Ich hatte kein Problem mit Work-Life-Balance. Work war Life, und Life war Work. Ich habe es immer genossen”, blickt er zufrieden zurück. 24 Jahre lang war er Schulleiter an der Konrad-Witz-Schule (KWS). Eine große Verabschiedungsfeier war in diesem Jahr wegen der Corona-Situation zwar nicht möglich, doch an Geschenken, guten Wünschen und freundlichen Worten mangelte es nicht. “Ich habe von jedem einzelnen Schüler etwas bekommen”, sagt Schmidt lächelnd und überlegt bereits, wo er die ganzen Schätze unterbringen kann. Auch Kollegen und Eltern – seine Mitstreiter, seine Dialogpartner – haben ihn zum Abschied reich beschenkt. Es ist ein gutes Zeichen, ein Zeichen der Wertschätzung.
“Ich kann sehr zufrieden und auch sehr stolz gehen”, sagt Schmidt, denn zusammen mit seinen treuen Unterstützern hat er in diesen 24 Jahren jede Menge Ideen in die Tat umgesetzt – auch wenn er manchmal dicke Bretter zu bohren hatte, etwa bei “Großprojekten” wie Schulsozialarbeit, Ganztagskonzept oder Gemeinschaftsschule. Schule als Lebensraum Bei all seinen Bemühungen, macht er deutlich, steht für ihn der Mensch mit all seinen individuellen Besonderheiten im Mittelpunkt. Schmidts großer Traum war immer, “Schule als Lebensraum” zu etablieren. “Nicht als Abstellplatz für die Eltern, nein. Dabei muss Bildung passieren und nicht nur Aufbewahrung”, sagt er bestimmt. An der KWS, findet der nun ehemalige Schulleiter, ist es dem Team gelungen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Respekt und Achtung herrschen und jeder sich als Teil einer Gemeinschaft versteht. “Die KWS ist Heimat für Kinder. Und auch für mich. Es ist so ein Mikrokosmos, auf den wir alle gut aufpassen”, sagt Schmidt. Das Miteinander wird immer wieder ins Bewusstsein gerückt. Die “Wir-Stärke”, das Team, die Gemeinschaft. “Mit Predigen allein erreicht man nichts. Das ›Wir‹ muss man erleben”, betont Schmidt. Kinder stärker zu machen und die Welt ein bisschen besser – das war von Anfang an seine Vision, und er ist glücklich über das Erreichte. “Es ist eine Atmosphäre entstanden, in der man effektiv arbeiten, gute Lernergebnisse erreichen und sich dabei wohl fühlen kann”, sagt er. Sein Erfolgsrezept ist einfach: Man sollte jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit sehen. Es gilt, die Stärken zu fördern und die Schwächen zu erkennen und zu “verwalten”, statt auf ihnen “rumzuhacken”. Mut zur Veränderung “Man darf kein Kind, keinen Jugendlichen zurücklassen, man soll alle mitnehmen – jeden auf seine eigene Art”, hebt Schmidt hervor. Beispiele, wie Kinder und Jugendliche durch dieses genaue Hinschauen und Mitnehmen aufgeblüht sind, besondere Talente entdeckt oder sich in die Gesellschaft integriert haben, hat er genug. Auch das erfüllt ihn mit Stolz. Der Weg war nicht einfach, macht Schmidt klar. Als Lehrer und Schulleiter braucht man nicht nur Kompetenz und Fingerspitzengefühl, man braucht auch eine Haltung – und ein starkes Durchsetzungsvermögen. “Es ist so, dass Initiativen und Ideen nicht immer beklatscht werden, denn Veränderungsprozesse sind immer schwierig. Veränderungen machen Arbeit und kosten Geld. Und der Wille, unbedingt etwas zu realisieren, braucht eine tiefe Verwurzelung”, macht Schmidt deutlich. Diese Verwurzelung, diese Überzeugung hatte er immer – und “tolle Unterstützer”. Große Zukunftspläne Nun ist für den leidenschaftlichen Schulchef Zeit, von der KWS Abschied zu nehmen. Das bedeutet auch – bei aller Wehmut –, mehr Zeit für Familie, Haus, Garten und für seine vielen Hobbys zu haben, meint Schmidt. Statt in seinem Schulleiterbüro wird er jetzt mehr Zeit auf dem Fußballfeld, auf dem Tennisplatz oder mit dem Wanderrucksack auf den Schultern verbringen. Doch so ganz lässt ihn die Pädagogik noch nicht los. Schmidt will eine pädagogische Praxis eröffnen, in der er Familien, Kinder und Jugendliche, aber auch Lehrkräfte und Schulleiter in schwierigen Situationen pädagogisch begleiten und beraten wird. Seit 2005 ist er ausgebildeter Mediator, und auch viele praktische Erfahrungen hat er gesammelt. “Ich will mein Wissen, das so angewachsen ist in diesen 24 Jahren in verschiedenen Funktionen, weitergeben”, sagt Schmidt. Die künftige Praxis sieht er als Bindeglied zwischen Schule, Eltern und Psychologen. Er will bei Konflikten mithelfen, Familien auf Dauer begleiten, um Lösungen zu finden. Hier kommt auf einmal wieder der Macher durch – mit einer neuen, aber wichtigen Mission.
Der Artikel erschien am 04.08.2020 im Schwarzwälder Boten, geschrieben von Tatsiana Zelenjuk.